Bericht zur Online-Veranstaltung „#LandLEBEN | Demokratiebildung auf dem Land - Geht da was?"

#LandLEBEN | Bericht: Demokratiebildung auf dem Land - Geht da was? | 15.6.21

In Thüringen gehören mehr als 90 Prozent der Fläche zum ländlichen Raum, hier leben vier Fünftel der Thüringer*innen. Vor welchen Herausforderungen stehen die ländlichen Räume? Welche Potentiale besitzen sie? Welche Handlungsmöglichkeiten bieten sich für die Landespolitik? Mit unserem Fraktionsbeschluss „Leitlinien für die Zukunft der ländlichen Räume in Thüringen“ (https://www.gruene-thl.de/node/7531) möchten wir als bündnisgrüne Landtagsfraktion unsere Ideen für die grüne Gestaltung der ländlichen Räume in den Diskurs geben und mit Menschen vor Ort ins Gespräch kommen. 

Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Stärkung der menschenrechtsorientierten, politischen und kulturellen Bildung im Sinne von Demokratiebildung. Diese fördert demokratische Einstellungen und die Motivation sowie die Fähigkeiten, sich für unser Gemeinwesen und Demokratie zu engagieren. Ziel ist, politische Sachverhalte erklärbar zu gestalten und die Menschen zu motivieren, das öffentliche Leben aktiv mitzugestalten.

Doch wie funktioniert Demokratiebildung auf dem Land? Welche Erfahrungen gibt es? Was gelingt, was vielleicht nicht? Und was muss Landespolitik tun, damit wir gute Rahmenbedingungen für unser demokratisches Gemeinwesen schaffen?

Zum Start der Veranstaltungsreihe zu unserem Fraktionsbeschluss #LandLEBEN diskutierte Astrid Rothe-Beinlich, Fraktionsvorsitzende und bildungspolitische Sprecherin, diese und weitere Fragen mit  Evelyn Sittig, Geschäftsführerin der Landesorganisation der freien Erwachsenenbildungsträger in Thüringen (LOFT), Alfred Bax, Leiter des Projektes PARTHNER "Mehr Partizipation in Thüringen - Nachhaltige Entwicklung ohne Ressentiments" vom Kulturrat Thüringen und Rachel Lankes, Projekt „Stärkenberatung“ vom NaturFreunde Thüringen e.V..

Den Einstieg in die Veranstaltung bildeten drei kurze Inputs unserer Expert*innen, in denen diese ihre jeweiligen Projekte vorstellten sowie einen Einblick in ihre Arbeit gaben. „Demokratiebildung – klar geht da was! 2018 haben wir begonnen, uns breiter aufzustellen. Wir wollten die Chance mit vielen Zielgruppen zusammenzuarbeiten, nutzen, um das Thema Demokratiebildung und politische Bildung stärker einzubringen“, eröffnete Evelyn Sittig.

Alfred Bax, Leiter des Projektes PARTHNER "Mehr Partizipation in Thüringen - Nachhaltige Entwicklung ohne Ressentiments" vom Kulturrat Thüringen, stellte in seinem Input besonders heraus, dass ein wesentlicher Grundsatz aller Projekte im ländlichen Raum sei, dass diese nicht einfach nur für Menschen im ländlichen Raum seien, sondern durch Teilhabe und Partizipation gemeinsam mit diesen gestaltet werden würden. Dadurch entstehe im Idealfall eine Selbstentwicklung, die dazu führe, dass die Menschen vor Ort die Gestaltung selbst in die Hand nehmen. Dieser Grundgedanke liegt auch dem Projekt „Stärkenberatung“ der NaturFreunde Thüringen e.V. zu Grunde. „Das Projekt „Stärkenberatung“ verfolgt genau das Ziel, um das es hier heute geht: Dass Menschen Demokratie fördern und selbst in ihrem ehrenamtlichen Engagement gefördert werden. Ziel unserer Ausbildung ist es, Ehrenamtliche so zu fördern, dass sie andere Ehrenamtliche unterstützen. So können Änderungsprozesse in den Regionen selbst angestoßen werden“, erklärte Rachel Lankes.

Neben der Vorstellung der einzelnen Projekte, wurden den Teilnehmenden die Möglichkeit geboten eine Vielzahl an Fragen zu stellen. Ein besonderer Fokus lag dabei jedoch auf der Frage, welche Bedingungen an das Gelingen von Demokratiebildung im ländlichen Raum geknüpft sind. „Damit Demokratieprojekte im ländlichen Raum gelingen, sind Vernetzungsstrukturen ungemein wichtig - insbesondere zwischen den unterschiedlichen Initiativen vor Ort. Aber auch der Kontakt mit den Zielgruppen und das Anknüpfen an bestehende Strukturen und Vertrauensverhältnisse, um so einen Zugang zu den Menschen zu finden, sind von besonderer Bedeutung“, stellte Evelyn Sittig heraus. Rachel Lankes verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass es zudem oft Kreativität sowie einen Blick dafür brauche, was die Bedürfnisse der Menschen sind. Man müsse Zugänge und Verbindungspunkte schaffen, um die Menschen zusammenzubringen. Dem fügte Alfred Bax hinzu: „Je eher man in Strukturen arbeitet, die aufeinander aufbauen, die nachhaltig wirken, die auch handlungsorientiert arbeiten – das heißt, dass zu bestimmten Themen gearbeitet wird, die die Menschen vor Ort ansprechen und interessiert, weil es ihr zukünftiges Lebensumfeld betrifft – desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen auch an Veranstaltungen teilnehmen.“

Ein weiterer Aspekt, der im Gespräch beleuchtet wurde und insbesondere in Bezug auf zukünftige Förderungen eine wichtige Rolle spielt, war, wie der ländliche Raum überhaupt definiert werden sollte. Dazu stellte Rachel Lankes heraus: „Natürlich werden hierfür oft Einwohnerzahlen herangezogen. Ich denke allerdings, dass Zahlen hier schwierig sind. Es geht darum, wie die Bedingungen vor Ort aussehen und es sollte davon abhängen, wo der Bedarf am größten ist.“

Weiterhin erkundigte sich Astrid Rothe-Beinlich darüber, ob und inwiefern das Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit, dem im Landeshaushalt 2021 2,8 Millionen Euro für anerkannte Einrichtungen der politischen Bildung zur Verfügung gestellt wurden, eine Wirkung entfaltet und diese auch den ländlichen Raum erreicht. „Durch seine zeitliche Beschränkung bietet die Jahresförderung leider nicht die Möglichkeit, die personelle Unterstützung langfristig und nachhaltig auszubauen. Nichtsdestotrotz sind wir sehr froh über die Richtlinie, da sie zeigt, dass die Erwachsenbildung hoch anerkannt wird. Es ist ein wichtiger Anfang, von dem wir hoffen, dass er sich in den nächsten Haushalten fest implementiert, da es nur so nachhaltige Effekte geben wird“, erklärte Evelyn Sittig. Dem stimmte Alfred Bax zu: „Das Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit ist ein wichtiger Partner für die politische Bildung. Allerdings wäre eine Kontinuität in der Finanzierung auf Landesebene wünschenswert, um auch längerfristiger planen zu können. Es braucht Zeit, um Strukturen vor Ort aufzubauen. Brechen diese nach einem Jahr wieder ein, ist viel Geld verbrannt worden. Mit mehr Planungssicherheit kann sich die leider viel zu oft bestehende „Projektitis“ zu einer verstetigten Demokratiearbeit entwickeln.“

„Die Politik schafft die Rahmenbedingungen für gute Bildung, daher ist es für uns wichtig mit Ihnen im engen Austausch zu stehen und Ihre Bedürfnisse und Probleme zu kennen. Wir sehen uns in der Verantwortung gut zuzuhören und zu wissen, was für ihre Arbeit wichtig ist, denn Erwachsenenbildung ist keinesfalls ein fünftes Rad am Wagen, sondern ein elementarer Bestandteil unseres Bildungssystems. Dazu gehört auch die Demokratiebildung. Das Gespräch hat verschiedene Aspekte deutlich gemacht, aber v.a. eines: Demokratiebildung betrifft uns alle. Von jung bis alt. Wir müssen den Spagat schaffen - vom Stammtisch bis zu Youtube-Videos - sodass alle erreicht und mitgenommen werden können und niemand ausgeschlossen wird. Darüber hinaus gilt es, die Träger*innen weiterhin konsequent zu fördern!", resümiert Astrid Rothe-Beinlich.

Wir bedanken uns herzlich bei Evelyn Sittig, Alfred Brax und Rachel Lankes für die interessanten Einblicke, bei Astrid Rothe-Beinlich für die Moderation und natürlich bei allen Teilnehmer*innen für die anregende, konstruktive und spannende Debatte.