Faktencheck: Warum Atomkraft keine klimaneutrale Energieerzeugung ist

Atomenergie

Faktencheck: Warum Atomkraft keine klimaneutrale Energieerzeugung ist

Kann die Kernenergie einen Beitrag zum Klimaschutz leisten?

Zur Bekämpfung der Klimakrise hat sich die Weltgemeinschaft mit dem Pariser Klimaabkommen verpflichtet, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Um dieses Ziel erreichen zu können, müssen Deutschland und Europa den Ausstoß von Treibhausgasen so schnell wie möglich auf Null verringern. Für den Bereich der Energiewirtschaft bedeutet dies, dass die fossilen Energieträger Kohle, Öl und Gas vollständig durch klimaneutrale Energieträger ersetzt werden müssen. Bei der Stromerzeugung müssen also die fossilen Erzeugungskapazitäten der Kohle- und Gaskraftwerke durch emissionsarme ersetzt werden. Dieses Kriterium einer emissionsarmen Erzeugungsform erfüllt neben den Erneuerbaren Energien auch die Kernenergie. Dennoch kann die Kernenergie keinen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Es müssen auch auch ökonomische Aspekte, die sicherheitstechnischen Risiken, die gesundheitlichen Belastungen und Umweltschäden die entlang der Prozesskette vom Uranabbau bis zur Atommüllentsorgung entstehen, die Proliferationsrisiken sowie die ungelöste Endlagerfrage in die Betrachtung einbezogen werden. Dann zeigt sich, dass die Kernenergie keine Option zur Lösung von Klimaschutzfragen ist. Denn Atomkraft ist gefährlich, schmutzig, teuer und nicht in ein Erneuerbares Energiesystem der Zukunft integrierbar.           

Welche CO2-Emissionen verursacht Atomenergie?

Beim Betrieb von Atomkraftwerken werden keine direkten CO2-Emissionen freigesetzt. Allerdings entstehen entlang der Prozesskette indirekte Treibhausgasemissionen. Bei der Kernkraft resultieren diese aus der Gewinnung des Brennstoffs Uran, aus dem Bau bzw. Rückbau der Kraftwerke und aus der Endlagerung des Atommülls. Das Öko-Institut hat für den Uran-Atlas die CO2-Emissionen verschiedener Energieträger errechnet. Die Kernkraft liegt demnach bei 104 Gramm pro erzeugter Kilowattstunde Strom. Im Vergleich dazu liegen diese Werte bei der Braunkohle bei 1.214 Gramm, bei Erdgas bei 703, bei der Photovoltaik bei 98 und bei der Windkraft bei 15 Gramm. [Uran-Atlas, S. 48]

Könnten Kernkraftwerke die fossilen Energieträger überhaupt ersetzen?

In einem klimaneutralen Energiesystem der Zukunft wird die Elektrifizierung der Sektoren Verkehr, Wärme und Industrie durch den Einsatz von Elektroautos, Wärmepumpen und Wasserstoff eine bedeutende Rolle spielen. Durch diese Sektorenkopplung wird aber auch der Strombedarf steigen. Würde man diesen zusätzlichen Strombedarf mit Atomenergie decken und die fossilen Kraftwerke durch Atomkraftwerke ersetzen wollen, müssten weltweit zusätzlich Tausende neuer Reaktoren gebaut werden. Tatsächlich hat die Atomenergie ihren Peak aber bereits überschritten. Derzeit sind 415 Reaktoren am Netz, das sind 23 weniger als 2002. Der Anteil der Atomenergie an der weltweiten Stromproduktion ist von 17,5% 1996 auf heute 10,3% gesunken. Zudem beträgt das Durchschnittsalter der Reaktoren 30,7 Jahre, viele Atomkraftwerke werden in den nächsten 10 Jahren endgültig an ihre Altersgrenze stoßen und müssten dann also ebenfalls durch Neubauten ersetzt werden. Diese Zahlen machen deutlich, dass ein solch massiver Zubau weder realistisch noch sinnvoll ist. Zudem spricht die lange Bauzeit der Kraftwerke gegen die Atomenergie. Um das 1,5 Grad-Ziel überhaupt noch erreichen zu können, muss die Stromerzeugung bis spätestens 2035 auf Klimaneutralität umgestellt sein. In diesem Jahr soll in Finnland nach einer Bauzeit von 16 Jahren ein neuer Reaktor ans Netz gehen. Für die von den Befürwortern unterstellten Effekte für den Klimaschutz kämen die Neubauten schlicht zu spät.               

Kann die Atomenergie aus ökonomischen Gründen einen Beitrag zum Klimaschutz leisten?

Eindeutig nein. Die Stromgestehungskosten liegen bei der Kernenergie jetzt schon über denen der Erneuerbaren Energien. Die Stromgestehungskosten zur Produktion einer Megawattstunde liegen bei den Neubauten in Frankreich und Großbritannien bei 120 Euro, während sie bei Windkraft und Photovoltaik bei 40 Euro liegen. [Antrag BTF, S. 2] Ohne staatliche Subventionen ist die Kernenergie nirgendwo auf der Welt wettbewerbsfähig. Zudem passt die Atomenergie nicht in ein dezentrales erneuerbares Energiesystem der Zukunft. Dafür bräuchte man nämlich Kraftwerke die schnell auf- und abgeregelt werden können, wofür sich Atomkraftwerke aber nicht eignen. Sie produzieren Grundlaststrom, der die Netze verstopfen und so zusätzlich Kosten für das Netzmanagement verursachen würde. Investitionen müssen deshalb in ein Energiesystem das auf 100% Erneuerbare ausgerichtet ist gelenkt werden. Investitionen in die Atomenergie würden den Kampf gegen die Klimakrise also eher behindern als fördern.

Wie geht es auf europäischer Ebene weiter?

Die EU hat sich mit dem Europäischen Klimagesetz zur Klimaneutralität bis 2050 verpflichtet. Bis 2030 wird eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen um effektiv 52,8 Prozent gegenüber dem Referenzjahr 1990 angestrebt (für das 1,5-Grad-Ziel übrigens zu wenig). Zur Umsetzung wird innerhalb der EU in den nächsten Monaten unter dem Titel „Fit for 55“ ein Gesetzespaket verhandelt. Am Beispiel der Taxonomie-Verordnung lässt sich verdeutlichen, wo bei der Umsetzung das Problem liegt. Mit dieser  Verordnung sollen Investitionen in den umweltfreundlichen Umbau der Wirtschaft gelenkt werden. Dazu muss über einen Kriterienkatalog definiert werden, was unter grünen Anleihen zu verstehen ist. Einige EU-Mitgliedstaaten drängen darauf die Atomenergie als ein „nachhaltiges Investment“ einzustufen. Das wäre für die Umwelt eine fatale Entscheidung. Die Bundesregierung muss in den Verhandlungen dafür sorgen, dass es im Rahmen des europäischen Klimaschutzes für die Atomenergie nicht zu einer Renaissance durch die Hintertür kommt.   

 

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