Aktuelles aus dem Untersuchungsausschuss „7/2 Treuhand“

Die Treuhand-Tour

Über Privatisierungen von Simson, Kali und den Einfluss der Landesregierung

Der Treuhand-Untersuchungsausschuss befasste sich in seiner Sitzung am 4. Juli mit weiteren Firmen aus dem Untersuchungsauftrag: Zu Simson Suhl waren Zeugen geladen. Die Kaligrube Bischofferode war erneut im Blickfeld. Mit dem ehemaligen Thüringer DGB-Chef Frank Spieth und Minister a.D. Andreas Trautvetter wurden Einflussmöglichkeiten der Landesregierung auf Entscheidungen der Treuhandanstalt besprochen. Unser Abgeordneter Olaf Müller leitete wie gewohnt den Ausschuss als Vorsitzender.

Als erste Zeuge des Tages war Frank Spieth, seit 1992 Landesvorsitzender des DGB in Thüringen, geladen. Die Währungsunion, so seine Einschätzung, war eine „fiskalische Bombe“. Die ostdeutschen Betriebe hatten keine Chance mehr, ihre Produkte zu den notwendigen Preisen zu verkaufen. Die Folge war eine Deindustrialisierung, besonders in Thüringen. Innerhalb weniger Monate gingen 50 Prozent der Industriebetriebe verloren. Die Thüringer Landesregierung brauchte lange, ehe sie verstand, dass sie selbst prüfen müsse, welche Betriebe sanierungsfähig seien. Bis 1994 gab es daher keine Sanierungsvereinbarung mit der Treuhandanstalt. Man musste also selber etwas tun, so Spieth. Es entstand die Aktion „Thüringen brennt“: Jeden Dienstag, 5 vor 12, stand der DGB auf der Straße. Durch den Druck änderte sich die Landespolitik ab 1993. Ministerpräsident Vogel zog die Verantwortung aus dem Wirtschaftsministerium in die Staatskanzlei und die Industriebeteiligungsgesellschaft wurde gegründet. Der DGB hatte erst 300, dann noch 100 sanierungsfähige Betriebe benannt. Diese wurden überprüft und zahlreiche Betriebe von der Beteiligungsgesellschaft übernommen und saniert. Bei Bischofferode hätte das Land dasselbe machen können wie bei Zeiss, also Strukturpolitik. Neben Abfindungen und schönen Reden gab es aber nur Versprechungen, die nicht eingehalten wurden. Der DGB hatte als Alternative zum Vorgehen der Treuhand eine Sonderwirtschaftszone vorgeschlagen. Volkswirtschaftlich wäre das günstiger gewesen. Der Zeitdruck war laut Spieth das schwierigste. Er verwies dabei auf den Vereinigungsvertrag mit dem Saarland. In diesem war ein 20-jähriger Übergangsprozess verankert worden. Ein längerer Übergang hätte es ermöglicht, mehr „zu retten“. Man vertraute damals aber nur auf den Markt. Das scheiterte, weil der wesentliche Punkt der Marktwirtschaft Konkurrenz ist. Die Marktbereinigung schaltete aber die Konkurrenz aus.

 

Zweiter Zeuge war Joachim Scheibe. Er war 1990 Direktor für Forschung und Entwicklung im Zweiradkombinat (Simson) in Suhl. Ihm zufolge wäre es möglich gewesen, die Produktion von Zweirädern in Suhl zu erhalten. Schließlich war man noch 1990 Enduro-Weltmeister geworden und hatte daher einen Namen. Es brauchte aber Investitionen, um die Überkapazitäten in Suhl zurückzubauen (Jahresproduktion war 220.000 Stück). Bei einem Gespräch im Bundeswirtschaftsministerium zum Erhalt von Simson sei er aber schroff abgewiesen worden. Die Anmeldung des Konkurses wurde im Aufsichtsrat am 6.12.1990 beschlossen. Scheibe hielt es für eine „abgekartete Geschichte“. Eine halbe Stunde später sei bereits ein Kamerateam vom Bayerischen Rundfunk da gewesen, trotz eineinhalb Stunden Anfahrt. Zwei Jahre lang hätte die Treuhand danach alles niedergehalten. 1992 wurde trotzdem von ehemaligen Mitarbeiter*innen mit Unterstützung von westdeutschen Unternehmern das Suhler Fahrzeugwerk gegründet. Probleme mit der Wirtschaftlichkeit führten letztlich zum Aus 1998. Erst dann übernahm die Thüringer Industriebeteiligungsgesellschaft die Firma als Simson Motorrad GmbH. 2002 kam die endgültige Insolvenz und damit das Ende der Zweiradfertigung in Suhl.

 

Andreas Trautvetter, Minister a.D., war erneut als Zeuge zum Untersuchungsausschuss gerufen worden. Bei der ersten Privatisierung der Simson-Zweiradsparte hatte es Managementfehler gegeben, erzählte Trautvetter. Simson hatte einen Markt in Osteuropa und Vietnam. Man wollte auf den westlichen Markt, brauchte dafür jedoch eine andere Kapitalausstattung. Die zweite Privatisierung ging an ostdeutsche Geschäftsführer - allerdings mit zu wenig Eigenkapitalausstattung. Über die Beteiligungsgesellschaft half die Landesregierung damals nach. Bei ihm selber, in der Staatskanzlei, liefen die Problemfälle auf. Den Vorwurf der zu späten Gründung der Beteiligungsgesellschaft wies er zurück. Es wäre genau rechtzeitig gewesen, als die gescheiterten Erstprivatisierungen zurück zur Treuhand kamen. Die Privatisierungen seien von der Treuhandanstalt zumeist mit Kapital ausgestattet worden, um ein bis zwei Jahre zu bestehen.

 

Der letzte Zeuge des Tages war Dr. Ralf Bethke, seit 1991 Vorstandsvorsitzender der Kali & Salz AG. Kali als Produkt sei vor allem als Düngemittel nachgefragt gewesen. Kanada, Russland und Belarus waren damals die größten Produzenten und teilten sich ca. 2/3 des Marktes. In den 1980er und 90er Jahren gab es eine Überproduktion von ca. 20 Prozent weltweit - ständiger Preisdruck war die Folge. Eine Zusammenarbeit mit der Mitteldeutschen Kali AG (MdK) war daher sinnvoll. 1991 sei man von der Treuhand noch abgewiesen worden. 1992 kam die Treuhand dann selbst. Der Kaliverbrauch ging 1990 jedoch zurück, bspw. in Russland von 6 auf 2 Mio. Tonnen. Das führte zu Dumpingpreisen. Die ostdeutschen Gruben verloren 75 Prozent ihres Absatzes. Auch K+S verlor Anteile und machte große Verluste. 1997 schrieb man erstmals nach der Fusion schwarze Zahlen. Auf Nachfrage erklärte Bethke, dass die geplante Klausel im Fusionsvertrag zur Unterbindung von Wettbewerb (Wettbewerbsklausel) eine gängige Praxis gewesen sei. Bischofferode habe man nicht „platt gemacht“. Zahlen, Anlagen, logistische Anbindung sowie Investitionsbedarfe seien intensiv geprüft worden. Zu viele wirtschaftliche Nachteile waren das Ergebnis - alle Modelle bestätigten das. Die Treuhand empfahl die Schließung der Grube schon 1991. Die Kalifusion war uneingeschränkt positiv, sagte er als unmittelbar Beteiligter.

 

Themen