Spannende und zugleich beschämende Eindrücke

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Seit Montagabend weilt eine Thüringer Delegation im Kosovo, um sich selbst ein Bild zu machen, wie die Lage von abgeschobenen und freiwillig zurückgekehrten Angehörigen der Minderheiten Roma, Ashkali und Ägypter ist. Am Dienstag gab es deshalb unter anderem Termine mit Vlora Citaku, der Ministerin für europäische Integration, mit Vertretern der Botschaft und vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, mit der KFOR, dem Roma und Ashkali Information Center sowie MitarbeiterInnen des Rückkehrprojektes von URA II. Außerdem wurde eine Familie besucht, die mit ihren vier kleinen Töchtern nach zwölf Jahren aus Deutschland abgeschoben wurde. „Der Besuch bei dieser Familie war einer der bisher bewegendsten und zugleich beschämendsten Momente. Immerhin hat sie ein Dach über dem Kopf; im einzig beheizbaren von zwei kargen Zimmern stehen ein Holzofen und zwei Klappsofas, auf denen alle sechs Familienmitglieder schlafen. Die letzten zwei Holzscheite unterm Ofen stehen nur symptomatisch für die Trostlosigkeit dieser Menschen. Die Kinder sind verschüchtert, angesichts von 20 Fremden, die plötzlich in ihrem Zimmer stehen und die Mutter der Familie erzählt bereitwillig von ihrer schier aussichtslosen Situation. Immerhin darf sie voraussichtlich bis November in diesen Räumen bleiben, Sozialhilfe bekommen sie noch nicht, da eine der Geburtsurkunden der Kinder noch fehlt – sie sind seit April 2011 wieder im Kosovo. Der Höchstsatz an Sozialhilfe würde 75 Euro für die gesamte Familie betragen. Im Moment sind sie auf jeden Cent angewiesen. Nicht wenigen Delegationsmitgliedern standen fast die Tränen in den Augen“, so Astrid Rothe-Beinlich, die für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Reise begleitet. „Die Situation im Kosovo ist insgesamt schwierig, viele Menschen leben hier unter extrem schlechten Bedingungen. Dass es Minderheiten noch einmal ungleich schwerer haben, sehen alle. Die Arbeitslosigkeit liegt insgesamt bei 40, die der Minderheiten jedoch nahe 100 Prozent“, so die Grünenpolitikerin weiter. Laut dem Roma und Ashkali Documentation Center, das dafür Statistiken der Regierung auswertete, sind beispielsweise unter den 8067 Angestellten des kosovarischen Energiekonzerns nur drei Roma. Bei der kosovarischen Bahn sind es 348 Beschäftigte, beim Flughafen 644 – darunter kein einziger Roma. „Hilfsorganisationen und Rückkehrprogramme bemühen sich zwar, die schlimmste Not zu lindern, allerdings erscheint vieles wie Tropfen auf den heißen Stein“, beschreibt Rothe-Beinlich ihre bisherigen Eindrücke. „Besonders traurig und bedenklich stimmt, dass die meisten abgeschobenen Roma-Kinder keine Schule mehr besuchen – Hintergründe sind der existenzielle Mangel schon an Kleidung und Nahrung, aber auch die Sprachbarrieren, da die meisten Kinder keine der amtlichen Sprachen sprechen. Hinzu kommt die Angst vor Diskriminierung. Auch wenn in der Verfassung und in den Reintegrationsstrategien der Regierung ausdrücklich festgeschrieben ist, dass es keine Diskriminierung geben darf, hapert es gewaltig bei deren Umsetzung. So wurde beispielsweise berichtet, dass in den Kommunen viele Verantwortliche diese Strategien gar nicht kennen“, so Astrid Rothe-Beinlich weiter. Heute stehen für die Thüringer Delegation im Kosovo unter anderem Termine mit dem Innenministerium, dem UNHCR und der OSZE auf dem Programm, außerdem wir die Stadt Mitrovica besucht. Über die gesamte Reise und ihre Schlussfolgerungen wird Astrid Rothe-Beinlich in einer Pressekonferenz am 13. März um 14.30 Uhr im Landtag berichten.